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Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei der Personalbeschaffung in Frankreich und Deutschland

Das Verhalten von Kandidaten in einem Bewerbungsprozess ist von Land zu Land unterschiedlich. Trotz der Nähe von Frankreich und Deutschland kennzeichnen kulturelle Besonderheiten die Unterschiede zwischen den beiden Ländern. Wenn ein Unternehmen im Ausland expandieren möchte und aktiv Mitarbeiter im Ausland sucht, ist es wichtig, dass der Personalvermittler diese Unterschiede im Rekrutierungsprozess berücksichtigt.

Wie sollte sich ein französischer Recruiter bei einem Vorstellungsgespräch mit einem deutschen Kandidaten verhalten? Wie verhalten sich deutsche Kandidaten im Bewerbungsverfahren?

Die Personalberaterinnen von Proevolution, Marie Koenig und Kirsten Mante, beantworten wichtige Fragen für französische Unternehmen, die in Deutschland rekrutieren wollen.

Haben Sie einige Ratschläge und bewährte Praktiken für französische Unternehmen, die in Deutschland expandieren und deutsche Kandidaten einstellen möchten?

Man rekrutiert in Deutschland nicht auf die gleiche Art und Weise wie in Frankreich. Es ist wichtig, interkulturelle Unterschiede zu berücksichtigen; jedoch gibt es in vielerlei Hinsicht auch einige Gemeinsamkeiten.

Wie führt man ein Vorstellungsgespräch mit einem deutschen Kandidaten? Was ist der Unterschied zu Frankreich?

KM: In Deutschland besteht eine gleichberechtigte Beziehung auf Augenhöhe zwischen dem Recruiter und dem Bewerber. Ziel des Gesprächs ist es, einen Austausch zu schaffen, damit sich beide kennenlernen können. Zum Beispiel erwartet ein deutscher Kandidat einige Informationen vom Recruiter und wird eine Menge Fragen stellen. Der Recruiter muss sich deshalb mehr anstrengen, um die freie Stelle so gut wie möglich zu präsentieren und den Kandidaten zu überzeugen. Dies hängt auch mit einer sehr günstigen Lage des Arbeitsmarktes in Deutschland zusammen. MKO: In Frankreich neigt der Recruiter nach wie vor dazu, sich gegenüber dem Kandidaten in eine höhere Position zu versetzen, indem er eine Checkliste mit gestellten Fragen vorlegt. Ein französischer Recruiter muss bei der Beantwortung von Fragen eines deutschen Kandidaten sehr präzise und detailliert sein. Deutsche mögen es nicht, Dinge erst nach dem Eintritt in die Firma zu entdecken, alles muss vorher geklärt werden (Gehalt, variabler Teil, welche Aufgaben usw.). Es sollte einen französischen Personalverantwortlichen nicht überraschen, dass er diese Art von Fragen sehr früh im Vorstellungsgespräch beantworten muss, während dies bei einem französischen Bewerber erst später im Prozess geschieht.

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Ändert die Spannung auf dem deutschen Arbeitsmarkt bei der Suche nach Kandidaten das Verhalten der Personalvermittler gegenüber deutschen Kandidaten?

MKO: Die Schwierigkeit für einen französischen Personalvermittler ist wissen zu müssen, wie er ein Vertrauensverhältnis mit dem Kandidaten aufbauen kann. Dabei ist von größter Bedeutung, wie der Kandidat den Bewerbungsprozess erlebt: Wenn das Unternehmen nicht alle Anstrengungen unternimmt, sich für den Kandidaten zu interessieren, seine Fragen ausführlich zu beantworten und es seinen Erwartungen nicht entspricht, wird er in Betracht ziehen, dass das Unternehmen nicht an ihm interessiert ist. Damit wird riskiert, dass der Kandidat den Prozess stoppt, insbesondere wenn er die Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten bzw. Arbeitgebern hat. KM: Dieser Verhaltensunterschied wird sich in den Fragen der deutschen Kandidaten bemerkbar machen: Sie werden viele Fragen stellen. Bei einer Stelle mit einem Gehalt, das einen variablen Teil beinhaltet, wird der deutschsprachige Bewerber beispielsweise viele Informationen über die Vergütung des variablen Teils, die Preise der Produkte/Dienstleistungen, die im Hinblick auf die Ziele zur Verfügung gestellten Mittel, die Ergebnisse der bereits eingestellten Personen usw. verlangen. Wenn der Personaler zu vage antwortet, ist es möglich, dass der Kandidat diesen Mangel an Präzision als zu hohes Risiko sieht und den Prozess nicht weiter verfolgt. MKO und KM: In einem Punkt sind wir uns einig: In Deutschland wie in Frankreich sind durch die Antidiskriminierungsgesetze viele Themen und Fragen illegal. Zum Beispiel die Mitgliedschaft in einer politischen Partei, der Familienstand, ob der Kandidat Kinder möchte oder schwanger ist, die Kündigungsgründe des früheren Arbeitgebers oder auch die Mitgliedschaft in einer Vereinigung, Religion oder Gewerkschaft. pas de discrimination au recrutement

Gibt es noch abschließende Bemerkungen oder Ratschläge?

MKO: Man sollte niemals die Bedeutung von kleinen Details in einem Rekrutierungsprozess unterschätzen: In Frankreich werden die Fahrtkosten für die ersten Vorstellungsgespräche sowohl in einer Personalagentur als auch in Unternehmen nur selten übernommen. KM: In Deutschland hingegen zahlen viele deutsche Unternehmen die Fahrtkosten. MKO: In Frankreich ist es noch nicht die Regel, vom ersten Gespräch an Unterlagen und zusätzliche Dokumente zu verlangen. Während einige Personalagenturen neben Lebenslauf und Motivationsschreiben um weitere Nachweise bitten, fordern andere Firmen diese nicht sofort oder gar nicht an. KM: In Deutschland kann der Arbeitgeber vom ersten Vorstellungsgespräch an um eine vollständige Akte mit schriftlichen Referenzen und Kopien der Diplome bitten. Dies ist auch ein Zeichen der Seriosität des Arbeitgebers. Außerdem sind in Deutschland die Lebensläufe oft deutlich ausführlicher. Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn ein Kandidat einen Lebenslauf von 3 oder 4 Seiten einreicht. Bitte seien Sie in Deutschland pünktlich, um Ihre Kandidaten zu empfangen. Ein zu spätes Erscheinen wird in Deutschland, mehr noch als anderswo, als mangelnder Respekt oder zumindest als schlechtes Zeitmanagement interpretiert.