Zahlreiche Unternehmen finden nicht den richtigen Kandidaten weil der Bewerbungsprozess so lange war, dass der Bewerber schließlich wo anders eine Stelle gefunden hat. Andere Unternehmen finden vor allem ungeeignete Kandidaten weil der Bewerbungsprozess so schnell gestaltet wurde, dass er ungründlich und uneffizient war.
In einer Zeit, in der Fachkräfte umworben werden wie selten zuvor und hochqualifizierte mit spezifischen Kompetenzen gesucht werden, steht jede Personalabteilung vor einer entscheidenden Frage: Soll der Bewerbungsprozess möglichst schlank und schnell sein, um Talente rasch zu gewinnen? Oder lohnt es sich, mehr Zeit in mehrere Gesprächsrunden, ausführliche Tests und Abstimmungen zu investieren, um die perfekte Passung zu finden? Außerdem, was für einen Sinn hat es, einen schnellen oder kurzen Bewerbungsprozess zu entwickeln? Gibt es so etwas wie einen überlangen Prozess und gibt es Möglichkeit, die Länge zielbestimmt anzupassen?
Beide Ansätze haben ihre Vorteile – und ihre Risiken. In diesem Artikel beleuchten wir, wann sich ein kurzer Bewerbungsprozess auszahlt, wann ein längerer sinnvoll ist und wie Unternehmen die Balance zwischen Schnelligkeit und Gründlichkeit finden können.
Langer und kurzer bewerbungsprozess: Woran liegt der unterschied?

Die Länge eines Bewerbungsprozess variiert stark. Mancher von uns wird eine Stelle in nur wenigen Tagen gefunden haben. In manchen Fällen kann es passieren, dass ein Bewerber bereits während des Vorstellungsgespräches eine positive Antwort erhält. In manchen Fällen kann es auch passieren, das ein Bewerbungsprozess Monate hindauert.
Eine Studie von Smartrecruiters hat gezeigt, dass weltweit ein Bewerbungsprozess im Durchschnitt 38 Tage dauert. Deutschland liegt etwas über den Durchschnitt mit 55 Tagen. Das ist erstaunlich da in Deutschland eine Stelle in der Regel weniger Bewerbungen erhält als in den meisten anderen Ländern (48 gegen 73).
Die Länge eines Bewerbungsprozesses hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Aufbau des Bewerbungsprozesses

Manche Bewerbungsprozesse dauern länger, da sie komplexer strukturiert sind:
- In manchen Unternehmen finden mehrere Bewerbungsgespräche statt. So kann es passieren, dass das erste Gespräch mit dem Personaler stattfindet und das nächste mit den fachlichen Spezialisten. Daraufhin kann noch ein weiteres Gespräch mit den Managern den Prozess beenden.
- In manchen Unternehmen werden Praxistests gemacht oder es gibt einen Unternehmenseinblickstag
Unternehmensinterne Faktoren
- In großen Unternehmen sind die Prozesse etwas komplexer aufgebaut. Dementsprechend gibt es dort öfter lange Bewerbungsprozesse.
- Wenn eine Stelle dringend besetzt werden muss, führt das oft zu einem kurzen Bewerbungsprozess
- In manchen Fällen finden mehrere Bewerbungsgespräche statt. Die verschiedenen Gesprächsrunden brauchen natürlich Zeit.
- Wenn viele Personen in den Prozess eingebunden sind, braucht es natürlich mehr Zeit, zusammen zu handeln. Die Verfügbarkeit der betroffenen Personen kann auch sehr begrenzt sein
Bewerberbezogene Faktoren
- Wenn die Verfügbarkeit des Bewerbers begrenzt ist, führt das zu einem langen Bewerbungsprozess.
- Fehlende Dokumente (Zeugnisse, Arbeitsproben) führen oft zu Nachfragen und Wartezeiten.
Markt- und Umfeldfaktoren
- In manchen Sektoren geht ein Bewerbungsprozess schneller
- In Urlaubszeiten brauchen die Bewerbungsprozesse oft mehr Zeit, da die wichtigen Mitarbeiter nicht immer da sind
Wir sehen also: Die Länge eines Bewerbungsprozesses hängt von verschiedenen Faktoren ab. Manche dieser Faktoren sind schwer zu kontrollieren und andere kann das Unternehmen leicht selbst bestimmen. Ein Unternehmen kann z.B oft selbst bestimmen, ob der Bewerbungsprozess komplex oder einfach aufgebaut sein soll. Die Länge eines Bewerbungsprozesses wird nicht nur von dessen Komplexität abhängen, aber die Komplexität wird viel mitwirken. In der Regel sind lange Bewerbungsprozesse deshalb so lang, weil sie besser und genauer strukturiert sind.
Was sind die Vorteile eines langen bewerbungsprozesses

Ein klar strukturierter und bewusst länger gestalteter Recruiting-Prozess bringt entscheidende Vorteile, sowohl für das Unternehmen, als auch für die Kandidat:innen.
Langer Bewerbungsprozess für bessere Einschätzung der Kompetenzen
Ein langer Bewerbungsprozess bietet die Möglichkeit, über mehrere Etappen hinweg zu prüfen, ob es wirklich ein beidseitiges Übereinstimmen gibt. Ein einziges Bewerbungsgespräch wie bei einem kurzen Bewerbungsprozess ist zwar gut, aber in der Regel kann man deutlich mehr auf beiden Seiten erfahren, wenn man noch öfter miteinander ausgetauscht hat. Außerdem werden mehrere Austausche helfen, sich auf einer anderen Art jedes mal kennen zu lernen. So kann das erste Gespräch mit dem Recruiter einen ersten generellen Einblick geben, und das zweite mit dem Team einen deutlich mehr praxis- und alltagsorientierten Einblick. Nicht nur fachliche Qualifikationen, sondern auch Soft Skills und Werte entscheiden darüber, ob jemand langfristig ins Team passt. In einem langen Bewerbungsprozess ist ein genaueres gegenseitiges Kennenlernen möglich, und man kann zusammen präziser bestimmen, inwiefern eine Zusammenarbeit möglich ist.
Lange Bewerbungsprozesse enthalten oft Tests, Simulationen oder Unternehmenseinblickstage. Durch diese zusätzlichen Formate lassen sich Eigenschaften erkennen, die in klassischen Bewerbungsgesprächen oft verborgen bleiben wie Stressresistenz, Teamverhalten oder Kreativität.
Langer Bewerbungsprozess führt zu besseres Verstehen
Gleichzeitig ermöglicht der mehrstufige Prozess den Bewerbenden, verschiedene Personen und Rollen im Unternehmen kennenzulernen – von den Recruitern über Mitarbeitenden bis hin zu direkten Vorgesetzten. So entsteht ein realistisches Bild vom Arbeitsalltag, den Erwartungen und der Unternehmenskultur.
Langer Bewerbungsprozess für hohe Qualität

Durch das genaue Kennenlernen und das präzise Einschätzen der Kompatibilität auf beiden Seiten wissen sowohl Bewerber, wie auch Unternehmen inwiefern eine Zusammenarbeit sinnvoll und möglich ist. Fluktuationsraten sind also dementsprechend recht gering. Ein Bewerber kann mit vernünftiger Begründung eine Stelle ablehnen oder annehmen, und ein Unternehmen kann ebenfalls mit guten Gründen die Bewerbung sowohl bestätigen, wie auch ablehnen.
Ein längerer Prozess ist also ein Zeichen von Sorgfalt und Weitsicht. Unternehmen die lange Bewerbungsprozesse haben, sind nicht unbedingt unternehmen, die „lahm sind“ sondern Unternehmen, die sich die Zeit nehmen, das zu tun, was am besten ist. Ein langer Bewerbungsprozess ist also ein Bewerbungsprozess von guter Qualität.
Was sind die Vorteile eines kurzes bewerbungsprozesses

Obwohl es zahlreiche Vorteile bei einem langen Bewerbungsprozess gibt, kann ein kurzer und fokussierter Auswahlprozess ebenfalls besonders effektiv sein.
Kurzer Bewerbungsprozess für hohe Motivation
Besonders sinnvoll ist ein schneller Bewerbungsprozess, wenn Bewerbende derzeit nicht auf der Suche nach einer neuen Arbeit ist. Bewerber die nicht auf der Arbeitssuche sind, sind in der Regel nicht bereit, viel Mühe in Bewerbungen zu investieren. Dementsprechend wird es für ein Unternehmen schwer sein, ein solches Talent zu gewinnen, wenn man von ihm erwartet, viel Zeit in die Bewerbung zu investieren ohne überhaupt zu wissen, ob er die Stelle überhaupt erhalten wird.
Zahlreiche Bewerbende (vor allem solche, die derzeit arbeitslos sind oder es bald sein werden), sind bereit zu arbeiten, sobald ihnen die Stelle vorgeschlagen wird. In vielen Fällen haben Bewerbende derzeit keine Arbeit oder werden bald ihr Unternehmen verlassen. Diese Bewerbenden wollen also so schnell wie möglich eine Lösung finden, um ein Gehalt zu haben und nicht arbeitslos zu sein. Außerdem verbringen motivierte Bewerber einen Großteil Ihrer Zeit mit Warten auf Antworten. Dementsprechend zeigt ein schlanker Prozess im Gegensatz zu einem langen Bewerbungsprozess Wertschätzung für die Zeit der Bewerbenden. Außerdem haben Bewerber, die derzeit im Arbeitsverhältnis sind wenig Spielraum für viele Interviewrunden. Ein kurzer Bewerbungsprozess respektiert also die zeitlichen Umstände des Bewerbers.
Agiles Handeln in einem kompetitiven Arbeitsmarkt

Darüber hinaus bewerben sich Bewerbende in der Regel in mehreren Unternehmen gleichzeitig. Viele Bewerber werden dem Unternehmen zusagen, das als erstes eine Stelle anbietet. Statistisch gesehen wird fast jeder Bewerber früher oder später eine Stelle haben. Das erste Angebot wird mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit angenommen. Die Frage ist also, welches Unternehmen das Rennen (bei dem die Unternehmen alle unterschiedliche Startpositionen haben) um den besten Bewerber gewinnt. Das Unternehmen, das als erstes die Ziellinie erreicht wird den Bewerber am wahrscheinlichsten einstellen können. In vielen Fällen muss ein Unternehmen, das einem Bewerber nach langer Zeit zusagt, erfahren, dass bereits ein anderes Unternehmen den Kandidaten eingestellt hat. Ein schneller Bewerbungsverlauf ermöglicht schnelle Entscheidungen und signalisiert Agilität – ein Vorteil in einem kompetitiven Talentmarkt, in dem Geschwindigkeit oft entscheidend ist.
Kostensparnis mit einem kurzen Bewerbungsprozess
Darüber hinaus ermöglicht ein kurzer Bewerbungsprozess es auch, an Kosten und Zeit zu sparen. Ein kurzer Bewerbungsprozess bringt weniger Organisationshürden mit sich und ist dementsprechend schon mal ein Anlass für weniger Kopfschmerzen.
Ein kurzer Prozess ist also effizient, um Zeit und Kosten zu sparen, und um sich an den Bewerber anzupassen. Er sollte aber auch möglichst gut vorbereitet sein und durch gezielte, strukturierte Gespräche die wichtigsten Kriterien auf beiden Seiten abdecken.
das beste aus beiden Möglichkeiten ziehen

Sowohl kurze wie auch lange Bewerbungsprozesse haben also Vor- und Nachteile. Wenn es um eine wichtige Stelle geht und man sicher sein muss, das der Bewerber genau der richtige ist, ist es besser, sich für einen langen Bewerbungsprozess zu entscheiden. Wenn es darum geht, eine weniger wichtige Stelle zu besetzen oder wenn man schnell einen Bewerber braucht, ist es sinnvoll sich für einen kurzen Bewerbungsprozess zu entscheiden.
Trotzdem sollte die Länge des Bewerbungsprozess nur von dessen Struktur abhängen und unnötige Wartezeiten sollten vermieden werden. Im Idealfall ist der Recruiting-Prozess flexibel und anpassungsfähig – abgestimmt auf die Verfügbarkeiten der Kandidat:innen und der Gesprächspartner:innen im Unternehmen.
Es ist empfehlenswert, unnötig lange Wartezeiten zwischen den Terminen zu vermeiden und nicht zu viele Gesprächsrunden mit immer denselben Personen anzusetzen. Stattdessen können Interviews gebündelt werden. Es ist auch möglich, dass manche Vorstellungsgespräche hybrid durchgeführt werden, wenn bestimmte Beteiligte nicht vor Ort sein können. Auf der Art wird verhindert, dass der Prozess unübersichtlich oder zermürbend wird.
Ebenso wichtig ist Transparenz von Anfang an. Wenn die einzelnen Schritte, Zeitpläne gleich zu Beginn klar kommuniziert werden, gibt es keine unangenehmen Überraschungen für die Bewerbenden.
Ein gut strukturierter, aber flexibler Ablauf vermittelt Professionalität, stärkt die Candidate Experience und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Top-Talente beim Prozess bis zum Ende motiviert bleiben.
Fazit

Die optimale Länge eines Bewerbungsprozesses ist kein universell messbarer Zeitraum. Sie hängt von der Stelle, der Dringlichkeit, den Kandidatenprofilen und den internen Strukturen ab. Ein langer Bewerbungsprozess bietet die Chance, dass sich Bewerbende und Unternehmen gegenseitig umfassend kennenlernen und eine fundierte Entscheidung zusammen treffen können. Ein kurzer Prozess hingegen sorgt für geringe Kosten, Zeitgewinn und vor allem eine Anpassung an die zeitlichen Umstände des Bewerbers sowie agiles Handeln in einem kompetitiven Arbeitsmarkt.
Unternehmen, die erfolgreich rekrutieren wollen, sollten nicht ausschließlich auf Geschwindigkeit oder Gründlichkeit setzen, sondern beide Ansätze flexibel in angepasstem Maße kombinieren. Die Kunst liegt darin, den Prozess so zu gestalten, dass er zielgerichtet, klar strukturiert und transparent ist. In beiden Fällen sind unnötige Verzögerungen zu vermeiden, aber genügend Tiefe zu bevorzugen, wie nötig ist um eine gute Passung sicherzustellen.
So wird Recruiting nicht zum Zufall, sondern zu einem strategischen durchgedachten Prozess, der gute Ergebnisse liefert.
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